Andreas Baumgartl / Galerie für Zeitgenössische Kunst


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KARL HOFER

Text zur Ausstellung
Wiedergewonnene Verluste - Arbeiten aus den letzten Jahren

 



















Auf den ersten Blick mag es befremdlich erscheinen, wenn eine umfangreiche Ausstellung eines Künstlers, der mehr als 55 seiner 77 Lebensjahre unglaublich produktiv war, nur Bilder aus den letzten dreizehn Schaffensjahren enthält. Aber schon eine erste Durchsicht des Ausgestellten zeigt eine Vielfalt von Bildthemen, die dem gewohnten Hofer-Betrachter bekannt, zumindest vertraut erscheinen.

Der Autor, der seit über 40 Jahren mit vielen Künstlern zusammengearbeitet hat, meint sagen zu können, dass sich die Künstlerschaft fast gleichmäßig teilt in solche, die froh sind, die letzten entstandenen Bilder an den Galeristen geben zu können, um räumlich und geistig Platz für neue Arbeiten zu haben -und die anderen, die besorgt mindestens ein Dutzend Werke hüten, um eine Kontinuität optisch belegbar zu halten. Sicher gehörte Karl Hofer zu der zweiten Gruppe: belegbar seit 1914 hat er immer wieder gleiche Themen aufgegriffen, meistens, um sie am Maß der Zeit strenger oder deutlicher zu formulieren, manchmal aber auch weil er damals noch sehr selten ein Bild gleich verkaufen konnte, das Thema aber noch nicht erschöpfend "bearbeitet" war. Ein Beispiel ist das Bild "Im Meersand", 1914; die Fassung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe , 139 x 140 cm, war 1967 als Leihgabe zu einer großen Ausstellung nach Köln gekommen und dort in den Katalog mit Abbildung aufgenommen worden. Zur gleichen Zeit bereitete Herr Dr. von Moltke in der Kunsthalle Bielefeld die Präsentation der Morton D. May-Sammlung aus Amerika vor, die auch ein Bild von Karl Hofer "Im Meeressand“, 1914 - aber 135 x 140 cm enthielt. Der Sammler und Leihgeber war zunächst empört, glaubte er doch „sein“ Bild fälschlich in der Kölner Ausstellung. Er war dann aber nach Aufklärung der Sachlage sehr glücklich, zumal festgestellt wurde, dass seine Fassung die ältere ist; wenngleich dem Karlsruher Bild formal ähnlich, nur in der Farbgebung deutlich unterschiedlich. Erst in den folgenden Jahren konnte bewiesen werden, dass Hofer seit frühester Zeit immer wieder Themen in einem Zeitraum von bis zu 30 Jahren achtmal und mehr wieder aufgriff, wobei keinesfalls die frühen Fassungen etwa immer die besseren waren, sondern Stimmung und Ausdruck nach und nach eher an Reife gewannen.

Das lässt sich auch von den vielen Selbstportraits ablesen – mindestens einmal pro Jahr trat sich der Künstler im Spiegel gegenüber, forderte Rechenschaft von sich selbst, legte Zeugnis ab von eigener Entwicklung und Reifung.

Und noch einen guten "bösen" Grund gab es für diesen ernsthaften, ja fast stets melancholischen Künstler: der Krieg brachte den Verlust von hunderten von Bildern, von Manuskripten, die ihn lange aufwühlend beschäftigt hatten, zerstörte Atelier (1. März 43 - 150 Bilder und ungezählte Zeichnungen gingen in Flammen auf) und Wohnung, aber nicht seine Kraft, das darzustellen und zum Bild zu formen, was damals war. Im ersten provisorischen Atelier in Babelsberg entstanden so von Juni bis Ende 1943 genau 174 Bilder (ein beim Tode der Witwe aufgefundenes handgezeichnetes Werkverzeichnis belegt das) mit Themen, die die zerstörter oder verloren geglaubter  Bilder wieder aufnahmen, und solchen der Zeit. Es sind verzweifelte Bilder, die in den letzten Kriegsjahren und nach dem Zusammenbruch entstanden. Themen des Krieges sind geschildert in fast schreckhaften Bildern, quälend dumpf und lastend, keine historischen Dokumente, aber bis zu den Rändern gefüllt mit der Wirklichkeit und Wahrheit dieser Zeit. Keine Kunst im Dienste einer Anklage, sondern Aufschrei angesichts einer Vernichtung, die die Menschen selbst in ihrem Wahn herbeigeführt und vollzogen haben. Es sind Bilder aus tiefster Not geschaffen, und dennoch zuerst und zuletzt künstlerische Manifestationen um ihrer selbst willen - dies gibt ihnen ihren besonderen Rang.

In den Ausstellungen von etwa 1966 bis 1978 (100. Geburtstag) waren Kritiker und Betrachter in ihrer Erwartung weitgehend noch geprägt von der Erinnerung an die Bilder Hofers, die das Dritte Reich aus den Museen Deutschlands entfernt hatte, und die man seither vermisste: die großen, gültigen Formulierungen der Landschaften, überwiegend aus dem Tessin, und der Figuren - Frauen, Mädchen und Jünglinge, der Badenden und der Paare, die ihr Leben führen in einer enthobenen Existenz, in einer stillen, mit sich beschäftigten, in sich versenkten Menschlichkeit.

Seit den großen Ausstellungen zu Hofers 100.Geburtstag, u.a. in Berlin, Köln und Halle, und einer Reihe von Dokumentationen und Ausstellungen zur Auseinandersetzung mit der Kunst im Widerstand und in der Nachkriegszeit, erfährt das Spätwerk der Jahre 1943 bis zum Tode 1955 zunehmend eine neue, positive Bewertung. Erstmals seit Hofers Tod wurden ab 1979 wieder mehrere Bilder der endvierziger Jahre in wichtige deutsche Museen aufgenommen. Übereinstimmend bemerkten seitdem Kritiker und Betrachter die Tatsache, dass Hofer zu den so wenigen deutschen Künstlern seiner Generation gehört, die in Stilmitteln und Ausdruck unmittelbar auf die schrecklichen Erlebnisse des Krieges und der Nachkriegszeit reagiert haben.

Der damalige „Kritiker-Papst“ Will Grohmann irrte darum erheblich, als er um 1953/54 postulierte, die Reduziertheit des Ausdrucks beim späten Hofer sei "lediglich Wiederholungsschwäche früherer Bildthemen"; auch der von ihm erhobene Vorwurf, Hofer "wiederhole ermüdend" frühe Bildinhalte, entsprang Grohmann's Verwobensein in das aufblühende "Informel". Er kannte eben auch nicht die oben angeführten vielfältigen Belege für die Wiederholungen bei Hofer seit frühester Zeit. Er konnte - auch aus Mangel an Publikationen in jener Zeit - nicht überblicken, dass einmal gefundene Lösungen sich für den Künstler verfestigt haben. Besonders damals, als fast alles verloren war oder galt, musste Hofer viele Themen fast zwanghaft wieder aufgreifen und konnte ihnen nicht selten nun endlich die prägnanteste, weil auf das Wesentliche reduzierte Form geben.

Die heute erwachsene Generation, die die vierziger Jahre nicht mehr bewusst erlebt hat, ist besonders bereit, die Zeit aus solchen künstlerischen Zeugnissen heraus zu begreifen - sie ist eher unsicher gegenüber Hofers Figuren- und Landschaftsbildern aus den zwanziger und dreißiger Jahren, weil sie sie in ihrer versöhnlichen Ästhetik "als zu heil und schön" empfindet. Hinzu kommt sicher, dass viele im Spätwerk das ausgedrückt fanden, was sie am Ende der langen nichtfigurativen Epoche an Anspruch an gegenständliche Bilder in einer Zeit wiederbeginnender Auseinandersetzung mit dem Gegenstand und der Person stellten.

Unschwer entnehmen sie den Bildern, wie die Huldigung körperlicher Schönheit und atmosphärischer Sinnlichkeit der frühen Jahre, durch Erlebnis geprägt, zu knapper und malerisch reduziert geschilderter psychologischer Wertigkeit des Dargestellten sich entwickelt. Dazu zeigen die letzten Lebensjahre wieder große Freude an reicher Farbigkeit - die Benutzung der Farben in ihrer vollen Vitalität, manchmal kontrastierend nebeneinandergesetzt, läßt Bilder entstehen, in denen sich diese Farbe zur Form der Figur verdichtet, und eben nicht die Figur als solche Grund für die Darstellung war.

Köln, am 20.03.2001 Gerd Köhrmann



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