Andreas Baumgartl / Galerie für Zeitgenössische Kunst


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8. November bis 24. Dezember 2001

JEAN COCTEAU
PABLO PICASSO

Eine Künstlerfreundschaft

Zeichnungen - Keramiken - Grafiken







Für diese Ausstellung ist es der Galerie Baumgartl gelungen, außergewöhnliche Graphiken von Pablo Picasso und Jean Cocteau, zwei Universaltalenten der klassischen Moderne, zusammenzustellen. Die beiden Künstler, die in verschiedensten künstlerischen Disziplinen arbeiteten, konnten im Paris des angehenden zwanzigsten Jahrhunderts den Grundstein für eine langanhaltende und wechselseitig inspirierende Künstlerfreundschaft legen. 

1917 lernten sie sich bei der Arbeit an dem Ballett „Parade“ von Serge Diaghilew in Paris kennen, bei dem Bühnenbild und Kostüme von Picasso gestaltet wurden und das Libretto von Cocteau stammte. Diese Zusammenarbeit mündete in eine enge Freundschaft und führte in den folgenden Jahren zu einem häufigen Zusammentreffen der beiden Künstler, sei es als Freunde oder als Gestalter gemeinsamer künstlerischer Projekte. Für eine Aufführung am Atelier-Theater in Paris über den klassischen Stoff der Antigone, der jungfräulichen, treuen Tochter des Ödipus, der Cocteau immer wieder beschäftigte, schrieb er 1922 das Stück und Picasso gestaltete wiederum das Bühnenbild. Eine wichtige private Station ihrer Freundschaft war 1918 die Heirat Picassos mit seiner ersten Frau Olga in Paris, bei der Jean Cocteau als einer seiner Trauzeugen fungierte.

Mehrmals bekannten sich beide Künstler in Interviews oder in der Literatur zu der Bedeutung, die der jeweils andere für sie hatte, wobei sicherlich Picasso aufgrund seiner einzigartigen künstlerischen Stellung und seines Charisma stärkeren Einfluß auf Cocteau hatte als umgekehrt.

Die Bedeutung Cocteaus für Picasso: 
«Le prince frivole ètait sa possibilité d’ouverture vers un monde qu’il avait entrapercu, un monde de réceptions, de bals et de banquets, de princesses et de comtes, de virtuosité et d’idealisation… »
Cocteau schreibt über Picasso : 
« Picasso, c’est ma rencontre capitale…
Il m’a appris à courir plus vite que la beauté. »


Auch der Altersunterschied von acht Jahren und der frühe Freitod von Cocteaus Vater, der ihn immer wieder beschäftigte, lassen eher auf eine führende Rolle Picassos schließen. 

Die beiden Künstler auf dem Gebiet der Graphik und der Keramik einander gegenüber zu stellen, macht den besonderen Reiz dieser Ausstellung aus. In Bezug auf die Auswahl ihrer Themen lassen sich immer wieder Überschneidungen feststellen, die durch die sehr unterschiedliche Umsetzung faszinieren. Das Motiv des Fauns ist hierbei nur eines von mehreren Beispielen. Vor allem im Bereich der Lithographien und Radierungen berührt sich ihr jeweils umfangreiches Gesamtwerk, das bei Cocteau ansonsten eher im literarischen Bereich liegt und bei Picasso in allen erdenklichen bildnerischen Ausdrucksformen. 

Schon sehr früh begleitete Cocteau seine Bücher mit Zeichnungen. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte lösten sie sich aus dieser Gebundenheit und wurden selbständiger Ausdruck seiner graphischen Poesie. Weil sich in dieser Poesie sein Lebensgefühl und das seiner Zeit spiegelt, erhielt er seinen Platz auch unter den bildenden Künstlern. Dabei verfolgte er seine künstlerischen Interessen auf allen Gebieten gleichzeitig und verflocht sie miteinander. Seine Begegnungen mit den Künstlern seiner Zeit, mit den Futuristen etwa, den Kubisten, den Surrealisten und selbst mit den Dadaisten waren Zwischenstationen auf seinem Weg zum eigenen Ausdruck. Cocteau legte großen Wert auf die Linie als künstlerisches Konzept. Eine unterbrochene, nicht fortgeführte Linie setzt sich in der Imagination fort. Sie lässt den Betrachter teilhaben an dem Erlebnis der Gestalt, an der Begegnung mit dem Dargestellten. Max Liebermanns Forderung „Zeichnen heißt weglassen“, wird bei Cocteau zu einem gestalterischen Mittel. 

Bei Cocteau gingen klassische und freudianische Mythenvorstellungen, in die er auch wichtige jüdisch-christliche Elemente einbrachte, eine spezifische Symbiose ein. Freuds Erklärung des persönlichen Mythos als des der eigentlichen Erinnerungswelt vorangehenden Zeitabschnitts und die griechischen Sagen wurden zusammen für ihn zum Schlüssel seines künstlerischen Werks.
Auf einzigartige Weise verband er die Weisheit antiker Überlieferungen mit einer modernen europäischen Sensibilität.

In der Gestalt des Orpheus, der auch in einem Werk in der Ausstellung thematisiert ist, dem Sohn des thrakischen Königs Oiagros und der Muse Kalliope, der seine Umwelt mit seiner Dicht- und Sangeskunst verzauberte, sah er den klassischen Mythos mit seinem eigenen verwoben.
Die Bacchantinnen, die wiederum in einer anderen Graphik zu sehen sind, brachten Orpheus schließlich den Tod und stehen bei Cocteau für André Breton und die Surrealisten, aus deren Reihen Raymond Radiguet, sein langjähriger Freund, zu ihm „übergelaufen“ war.

Der Neubeginn in Frankreich nach Besatzung und Krieg ist in der Arbeit Picassos als deutliche Zäsur erkennbar. So wendet er sich – nach ersten Lithographien, die in den Jahren von 1919 bis 1930 entstanden waren – erneut dieser Drucktechnik zu. 1945 beginnt für Picasso im Atelier von Fernand Mourlot in der Rue de Chabrol eine zweite, ungleich bedeutendere Phase ausführlicher Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Lithographie. Bis 1950 entstehen nahezu 200 Blätter, bis 1962 verzeichnet Mourlots Katalog dann sogar 356 Nummern. 

Die Lithographie erlaubte Picasso, ihren Entstehungsprozess in Zustandsdrucken zu überprüfen. Sie bot leicht zu korrigierende Zwischenergebnisse, die Picasso auch für seine Malerei erstrebte. Die Zustandsdrucke ermöglichten Einblicke in die Entstehung eines Werkes, ohne dass die gewählte Technik verlassen wird. In ihnen stellte sich ein fortlaufender Entwicklungs- und Wandlungsprozess dar, die „Metamorphosen“ eines Motivs, ihre fortlaufende Betrachtung vermittelte den Eindruck unerschöpflicher Kreativität. 

Picassos frühe und mittlere Druckgraphiken bis etwa 1945 gingen mehr von der Linie aus, wie auch seine Malerei nachdrücklich die plastische, abgrenzende Konturierung als grundlegendes Darstellungselement verwendete – um es stets spannungsvoll zu überschreiten. Nach 1945 kann man seine Kunst dagegen insgesamt als eine mehr malerische bezeichnen. Die Linien wurden weicher und überschritten damit ihre begrenzende Funktion. Mit dieser Wandelbarkeit der Mittel hängt sicher Picassos Hinwendung zur Lithographie zusammen. Dieses „Flachdruck“ – Verfahren ermöglichte ihm jene malerische und flächenverbindende Durchdringung von Form und Grund, die seinem veränderten künstlerischen Streben entsprach. 

Wie bei der Zeichnung wirkt die Druckgraphik als Zusammenspiel von Grund und Form, von Leere und Fülle, an dem Picasso gerade wegen der Mehrdeutigkeit und Wandlungsfähigkeit besonders interessiert war. Zusätzlich entsteht aber bei der Druckgraphik ein weiteres Zusammenspiel: zwischen zeitlicher, „zeichnerischer“ Prozessualität und zuständlicher, „bildhafter“ Gesamtheit. Insbesondere die Lithographie erlaubte dem Künstler, zugleich schnell und mit sehr unterschiedlichem Strich zu zeichnen und die Fläche malerisch zu füllen, zugleich eine „Skizze“ und ein „Bild“ zu erstellen. Picasso hat diese Spannung zwischen „bildhaftem“ Zustand und „zeichnerischem“ Vorgang zu einem Hauptthema seiner druckgraphischen Gestaltung gemacht. Er interessierte sich für die Position zwischen den Stilen und zwischen den Kunstformen. Die Druckgraphik ermöglichte ihm offenbar eine besondere sinnliche Qualität, die ihm mit der Zeichnung nicht erreichbar war. Seine Drucker berichten, Picasso hätte sich, auch wenn nur ein einziges Blatt abgezogen werden sollte, mit der gleichen leidenschaftlichen Intensität um die Perfektion jedes einzelnen Druckes bemüht.
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