BIOGRAPHIE

Dominik Zehle




Lebenslauf / Künstlerischer Werdegang


1973

1980-1984

1984-1991

1992

1992/93

1994/95

1995

1995


1995/96


1996-98


1998

1998

in Köln geboren

Grundschule Kluftern

Graf Zeppelin Gymnasium Friedrichshafen

High-School-Abschluß in Wisconsin / USA

Schüler der Jugendkunstschule Meersburg (Schwerpunkt Fotografie)

freie Malerei bei Dabor Lyubicic (Jugendkunstschule Meersburg)

Intensivkurse an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst Trier

Abitur / Schule Schloß Salemzweimonatliches Praktikum bei den Künstlern:
Barbara Strasen, Reinhart Voigt & Susan Elias / Los Angeles

1. Lehrjahr zum Schreiner an der Hans Thoma Gewerbeschule in Neustadt
im Schwarzwald

Fortsetzung der Schreinerlehre bei Möbel Designer Ledermann in Wasserburg
am Bodensee

Abschluß der Lehre zum Schreiner

Studium an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Das Außergewöhnliche an Dominik Zehles Bildern ist, dass er auf schwarzen Leinwänden weiße Konturen und Farbflächen anordnet, die sich erst im Auge des Betrachters zu Szenen mit Figuren und Gesichtern zusammenzufügen scheinen. Alles, was als dunkle Schatten, schwarze Linen und Partien erscheint, ist nicht gemalt, sondern vielmehr ausgespart, ähnlich dem Negativ in der Photographie. Doch die einzelnen Aussparungen treten, geleitet durch die weißen Pinselstriche, beim Betrachten mit- und zueinander in Verbindung und werden so mit einer kurzen zeitlichen Verzögerung zum Bild. Erleichtert wird dem Auge die Bildentstehung durch die vereinzelt eingesetzten leuchtend roten Akzente, die als Eyecatcher den Blicken den Weg weisen. Eine weitere Hilfestellung für das Wahrnehmen und Erkennen der Darstellung leisten die sorgsam vom Künstler gewählten Titel der Werke. Sie eröffnen mit ihren oftmals ironisch-witzigen, aber auch kritischen und nachdenklich stimmenden Erklärungen eine zusätzliche Sichtweise auf das Bild, erklären seine Botschaft oder die Geschichte, die ihm zugrunde liegt oder erzählt werden soll. Und so versteht man beispielsweise bei dem Bild „Kurz angebunden“ die Geschichte des Telefonats, dass die junge Frau führt, erst dann richtig, wenn man den Titel kennt. Und das Bild „Art Miami“ eröffnet mittels der gezeigten Szene einen größeren Zusammenhang: Es beleuchtet - durchaus auch kritisch - das Geschehen auf einer Kunstmesse. Die großformatigen Bilder von Dominik Zehle bereiten somit nicht nur dem Auge Vergnügen, sondern sie regen auch den Geist an, ihre Aussagen mithilfe der Titel gänzlich zu erfassen und zu „verstehen“.




Der schwarze Spiegel des schönen Scheins Zehle hinterfragt in seinen Bildern die Medienwirklichkeit


Alles ist Oberfläche. Alles ist schön – selbst an der Tankstelle. „Wie viele bunte Zeitschriften haben vor 20 Jahren an der Spritkasse ausgelegen, und wie viele sind es heute? Der Medienmarkt ist explodiert.“ Dominik Zehle ist kein „Bilderstürmer“, aber er hat einen aufmerksamen Blick. Mit ihm streift er durch eine Umwelt, die immer mehr hinter ihren Abbildern verschwindet. Überall stößt man auf Bilder, die sich zwar an einen Betrachter wenden, die außer ihrer eigenen Ästhetik aber nichts mehr zu vermitteln wissen. „Das Wesentliche entgleitet uns“, sagt Zehle, und doch ist ihm anzumerken, dass ihn der künstliche Bilderkosmos fasziniert, an dem er sich reibt: „Wir werden von Bildern gelenkt und geblendet. Wir glauben an Bilder. Deshalb wird auch die Malerei nicht vergehen.“ Die Malerei des in Friedrichshafen aufgewachsenen Künstlers stellt einen Kommentar auf die moderne Medienumwelt dar, und sie verzichtet dabei auf den erhobenen Zeigefinger. Viele von Dominik Zehles Bildern haben das Format großer Plakate. Nicht nur aus diesem Grund würden sie an den Litfasssäulen und Anschlagwänden eine gute Figur machen, sondern auch, weil sie das Design der Werbegestalter nutzen, um es zugleich zu hinterfragen. Dass Zehles Bilder den Betrachter mit optischen Reizen ködern und ihn dennoch hinter die aufgelegte Schminke führen, macht sie janusköpfig und faszinierend. So nutzte Dominik Zehle für sein Gemälde „Angebissen?“ als Vorlage ein Werbeplakat für Schmuck. Sexappeal spricht aus jedem Quadratzentimeter der Leinwand, auf der ein attraktives Model den dicken Klunker an ihrem Finger mit den Lippen liebkost. War`s das schon? Natürlich nicht, denn durch die kontrastreiche, flächige Darstellung des Kopfes in Schwarz und Weiß verwandelt sich das Bild auf den zweiten Blick.: Eine Härte, eine Kälte wird sichtbar, in der sich die kühle Eleganz und die Eisschrankerotik der Werbevorlage ins Gewalthafte verzerrt. Auf dem glatten Gesicht deutet sich der Schatten einer Fratze an und der beworbene Schmuck ist nur noch ein Stück hartes Metall, an dem sich das Model die Zähne ausbeißt.

Auf seinen jüngsten Bildern beschränkt sich Dominik Zehle auf die Farben Schwarz, Weiß und Rot. Es ist das Rot der Bildzeitung, ein Signalrot, das die Aufmerksamkeit mobilisiert. Immer weiter hat Dominik Zehle die Farbe aus seiner Malerei abgezogen, bis teilweise selbst von einem Farbauftrag nicht mehr die Rede sein kann. Er arbeitet nicht mehr auf einer weißen Leinwand, sondern auf schwarzem Stoff. Die Gesichter und Körperformen seiner Motive ergeben sich gerade aus der Aussparung der Farbe. Sie glänzen durch Abwesenheit, werden zum Negativ. Möglicherweise eine Reaktion darauf, dass die massenhafte Verbreitung schöner Bilder zwar das Bewusstsein lenkt, es durch ihre Inhaltsleere aber direkt ins Nirgendwo steuert.

Harald Ruppert


Vom Marktgeschrei der Kunst – Dominik Zehle zeigt seine Arbeiten auf der Art Bodensee in Dornbirn. Südkurier, 28. Juli 2006


Art Bodensee in Dornbirn. 50 renommierte Galerien zeigen Arbeiten von 500 Künstlern. Einer von ihnen ist Dominik Zehle. Auf zehn Andreas Baumgartl aus München fünf großformatige Bilder. Zehle, der in Friedrichshafen aufwuchs und an der Stuttgarter Akademie studierte, hat seine eigene Art, mit dieser Chance umzugehen. Auch er Kann sich nicht dem Zwang entziehen, in einem Kunstmarkt mitzuspielen, bei dem es in erster Linie ums Geld geht. „Als Bestandteil der westlichen Welt sitze ich mit Meiner Arbeit mitten drin in der Struktur des Kaufs und des Verkaufs“, sagt Zehle. Zugleich will er in seinen Bildern aber auch ein Zeichen der Verweigerung setzen – mit geschmeidiger Ironie, wie er das in seinen Bildern immer tut. Anstatt sich blind zu stellen gegen die Tatsache, Dass seine Kunst ein Teil des Marktes ist, macht er Gerade diesen Sachverhalt zum Ausgangspunkt seiner Arbeit wie „Art Miami“ […]

Das Bild hält dem Messepublikum den Spiegel vor und reflektiert zugleich die Stellung des Künstlers. Aus „Art Miami“ malt Zehle ein Bild im Bild: Grellrot ist es im Original, ein echter Hingucker, der um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlt, und bezeichnenderweise hängt es an zwei dünnen Fädchen im leeren Raum. Geht man zu weit, diesen Umstand als Metapher für den bestens funktionierenden Kunstmarkt zu deuten, der oft aus Luftbuchungen besteht, aus Preisen ohne Grundlagen, aus heute Top und morgen Flop? Für den Kunstmarkt als System mit seinen schicken, gestylten Vernissage-Events bedeutet das wenig, für den Künstler als Person aber alles. Wenn die Glückssträhne endet, dann reißt der Faden, an dem seine Kunst hängt. Vorausgesetzt, diese Auslegung trifft die Absicht des Bildes – malt Zehle dann zu schwarz? In technischer Hinsicht bestimmt. Seit fünf Jahren widmet er sich der „Schwarzmalerei“. Er modelliert seine Formen und Figuren auf unbemalter schwarzer Leinwand. Seine Bilder entstehen aus dem Miteinander des Etwas mit dem Nichts, und es ist Sache des Betrachters, die Farb- und Leerflächen gedanklich zur Einheit zu vervollständigen. Wenn dabei etwa der pralle BH des Models auf „Art Miami“ in Wahrheit ein schwarzes Loch ist, ist das durchaus im Sinne des Künstlers, der sich mit dem Schein und Sein der glatt polierten Oberflächen der Modemarkenmenschen gerne kritisch auseinandersetzt. Die Lust zur Kritik zeigt sich auch in seiner Farbwahl: Neben dem (niemals aufgetragenem!) Schwarz malt er ausschließlich in Rot und Weiß – im heftigen Kontrast der Bildzeitungsfarben also. Farben, die marktschreierisch die Blicke auf sich ziehen und eine Camouflage darstellen – denn was auf den ersten Blick Die Mechanismen zur Mobilisierung des Publikums imitiert, kritisiert auf den zweiten genau diesen Mechanismus der Sensationsmache. Natürlich bleibt auch diese Kunst ein stumpfes Schwert, der Künstler ein Rädchen, das sich dreht; aber zumindest eines, das dabei über seine Lage reflektiert.

Harald Ruppert



Ikonen stilisierter Schönheit – Dominik Zehle aus Friedrichshafen stellt in der Stadtgalerie Markdorf aus. Südkurier, 23. Mai 2007


Pimp your Life – Motz` dein Leben auf. So lautet der Name eines Magazins im Internet, das sich dem Lifestyle widmet – der Ästhetisierung des Alltagslebens. Ästhetisierung ist ein Verfahren der Kunst, und vom Bauhaus bis zu einzelnen Vertretern der Pop Art lautet das Ziel, Kunst im Leben aufgehen zu lassen. Das ist auf breiter gesellschaftlicher Basis inzwischen geschafft, und zwar so gründlich, das im Zusammenhang von Design und Lifestyle von Kunst schon kaum jemand mehr ernsthaft redet. Beides ist auf den Kunstgedanken nicht mehr angewiesen, so sehr ist es Teil unseres Alltags geworden. Wo die Distanz zwischen Kunst und Leben sich aufgelöst hat, ist aber auch die Möglichkeit Des Nachdenkens über das Verhältnis zwischen Ästhetisierung und Leben gewichen. Damit öffnet sich ein neues Problemfeld: uns stellt sich heute weniger die Frage, zu welchem Design der Warenwelt, zu welchem Lifestyle wir es gebracht haben. Die eigentliche Frage lautet umgekehrt: Was machen Design und Lifestyle mit uns? Die Artefakte bilden in ihrer Gesamtheit eine geschlossene Lebenswelt und Ihre Verführungskraft stülpt sich wie eine zweite Haut über diejenigen, die sie hervorgebracht haben – und so wird Identität zur Inszenierung mithilfe der versammelten Konsumartikel, die eine Natur zweiten Grades bilden. […]

Zu welcher Identität führt uns die designte Konsumkultur? Dominik Zehles Bilder drängen diese Frage auf. In seinen Bildern wird der Mensch – insbesondere die Frau – zu einer Ikone, die stilisierte Schönheit nutzt, um für sich selbst zu werben – für ein Selbst der Oberfläche. Dominik Zehle malt Frauen wie Markenartikel, die es zu verkaufen gilt. Damit ist der Markencharakter der Werbeindustrie auf den Menschen übergegangen: Wie in Fernsehspots, die für Waren werben, besteht das ganze Wesen des Menschens im Flair von Reiz und Versprechen. Unheimlich ist diese Malerei, weil sie den aufgereizten Betrachter zu unbeantwortbaren Fragen animiert: Welcher Wesenskern der abgebildeten Menschensteht hinter ihrer so dringlich, so plakativ posierenden Schönheit? Unbeantwortbar bleibt die Frage, weil es um eine Charakterisierung bei Zehle ebenso wenig geht, wie in der Werbung um die Funktionen der beworbenen Artikel. Hier wie dort ist die erzeugte Aura von Schein und Versprechen die eigentliche Wurzel, und zu kaufen gibt es für den Käufer nichts als die eigenen Projektionen. Aus diesem Grunde laufen auch Etwaige Vorwürfe des Sexismus gegen Zehles Malerei ins Leere: Sie propagiert kein Frauenbild, sondern beschäftigt sich mit den Images und Mechanismen der Konsumkultur, die sie spiegelt und in ihren möglichen Rückwirkungen auf unsere Alltagswelt problematisiert. Genau wie die Werbewirtschaft, die für jeden Zentimeter Anzeigenfläche, für jede Sekunde Fernsehzeit unsummen zu berappen hat, springt Zehles Kunst auf ihr Ziel zu. Plakativ und flächig ist seine Malweise, mit möglichst geringem Aufwand erzielt er ein Maximum an Wirkung. Es ist gerade diese ganz bewusste Reduzierung, die den Betrachter fordert: seine eigenen Assoziationen sind es, welche die Bilder zur Figur, zum „Wunschbild“ zusammenfügen, denn im Grunde bestehen Zehles Bilder aus geisterhaftem weißem Dunst. Der „Schwarzmaler“, wie sich Zehle nennt, arbeitet auf unbearbeiteter schwarzer Leinwand – und seine Figuren sind eine Verbindung aus dem Weiß der reinen Oberfläche und dem schwarzen Nichts der Leinwand. Beim Versuch, sie zu ergründen, wird der Betrachter zum Spiegelfechter: Es ist, als wäre er der flüchtigen Gaukelei von Zigarettenrauch erlegen, der sich in satten, runden Schwaden wiegt und sich dann in der Dunkelheit verliert.

Harald Ruppert