Dante Alighieris Divina Commedia (entstanden um 1307-1321) gilt als bedeutendste Dichtung der italienischen Literatur und als eines der größten Werke der Weltliteratur. Die imaginäre Wanderung durch die drei Reiche des Jenseits: Hölle, Fegefeuer und Paradies, hat der bildenden Kunst von Botticelli bis Rodin und Dalí über Jahrhunderte Stoff und Motive geliefert.
Werner Pawloks Bilderzyklus reiht sich also ein in eine prominente Galerie von Bilderfindungen. Doch Pawlok illustriert die von ihm ausgewählten Gesänge nicht, er entwirft vielmehr visionäre Bildmetaphern, die auf Dantes Verse mit entschiedener Geste reagieren, aber ihr eigenes Vokabular entwickeln. Das Inferno hat bei Dante die Gestalt eines Trichters. Auf Pawloks transparenten Cibachromen erscheint dieses Bild gesteigert, dynamisiert: ein feuriger Sog hat sein Personal erfasst und hält es gebannt; der Läuterungsberg verströmt dagegen ein ätherisches Fluidum, das an den Weg des Lichts gemahnt, den der Dichter auf seiner phantastischen Reise beschreitet.
Pawloks Lesart zielt nicht auf einen Strophenkommentar sondern sucht die kreative Inspiration. Eine assoziative Methode, die zu präzisen Bildsetzungen führt, welche sich zu einer offenen Reihe addieren ohne sich zu einem fest geschlossenen Zyklus zu fügen. So behauptet das Einzelwerk seine Selbstständigkeit und bleibt mehr als nur Teilstück eines größeren Ganzen. Zugleich ergibt sich auf diese Weise ein offener Zeithorizont im Sinne eines work in progress. Der konkrete Verweis auf die einzelnen canti des Inferno, des Purgatorio und Paradiso erlaubt dem Betrachter den Rückbezug auf Dantes Werk ohne ihm vorgängig Textkenntnis abzufordern. Die drängend-präsente Bildwelt Pawloks kann ihn jedoch zweifellos ermuntern, in Dantes literarische Jenseitsreiche einzutreten.
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